Bedingt durch seine Lage im Süden der Iberischen Halbinsel war Andalusien durch seine ganze Geschichte ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen: Früh kam die Region in Kontakt mit den hoch entwickelten Kulturen des östlichen Mittelmeerraums, danach war sie lange Zeit Teil des nordafrikanischen maurischen Reiches. Später starteten hier die Entdecker der “neuen Welt”, Andalusien wurde zum Tor nach Amerika.
Teil 1: Von der Vor- und Frühgeschichte
bis zu
den Westgoten
In Baelo Claudia (bei Bolonia, Costa de la Luz) kann
man die Ruinen einer Produktionsstätte für die salzige Fischsauce
>> garum besichtigen, die zu Zeiten der Römer zu einem wichtigen
Exportprodukt Andalusiens in das gesamte Römische Reich geworden war.
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Vor- und Frühgeschichte
In Andalusien findet sich einer der ältesten europäischen Funde des Homo erectus, des Vorläufers des modernen Menschen (eine Darstellung der Geschichte des Menschen findet sich >> hier): Die Funde von Orce (im Nordosten der Provinz Granada, in Nachbarschaft der Sierra de María) sind nach neuesten Erkenntnissen rund 1,4 Millionen Jahre alt. Die frühen Menschen besaßen Werkzeug aus Feuerstein und haben hier an einem heute verschwundenen See Großwild gejagt. In Gibraltar fand man dagegen die jüngsten Reste von Neandertalern: noch vor 24.000 Jahren lebte dieser Verwandte des modernen Menschen im Süden Spaniens. (Der erste Schädel wurde schon 1848 entdeckt, aber nicht als Überreste einer anderen Menschenart erkannt. Erst als acht Jahre später im Neandertal bei Düsseldorf ähnliche Knochen entdeckt und als neue Art beschreiben wurden, erkannte ein Londoner Zoologe, dass auch die Knochen aus Gibraltar zu dieser Art gehörten.)
Der moderne Mensch Homo sapiens kam wohl über Südfrankreich in das Gebiet des heutigen Spaniens und Andalusiens. Zu den ältesten Zeugnisse des prähistorischen Menschen in Andalusien gehören die Cueva de la Pileta in der >> Sierra de Grazalema und die Höhle von Nerja. Beide kann sie besuchen, wobei die Cueva de la Pileta nur durch mitgeführte Gaslaternen erhellt wird: so bekommt man eine Ahnung, wie die Menschen seinerzeit den Aufenthalt in den Höhlen empfunden haben müssen. Ihren wissenschaftlichen Wert bekommt die Höhle durch eine Vielzahl von Felszeichnungen von Bergziegen, Pferden und anderen Tieren, die aus der Altsteinzeit kommen sollen und wohl die ältesten in Andalusien sind. Die abstrakten Zeichnungen aus dem größten bemalten Saal sollen dagegen aus der Jungsteinzeit stammen. Diese Höhle hat vermutlich in erster Linie magisch-religiösen Zwecken gedient, bewohnt war sie höchstens im vorderen Teil.
In der Jungsteinzeit wurde die Region offensichtlich wieder von Gruppen aus Afrika besiedelt, aus dieser Zeit stammen die 4.000 Jahre alten Höhlenmalereien von Vélez-Blanco. Bald darauf begann die Metallbearbeitung, die vermutlich wieder von außen gebracht wurde. Bei Los Millares finden sich die Ausgrabungsstätten von Europas größter Siedlung aus der Bronzezeit. Von hier breitete sich der Glockenbecher über ganz Europa aus. Funde aus Los Millares, die zeigen, dass hier anders als in der Altsteinzeit schon Viehzucht und Ackerbau betrieben wurden, kann man auch im archäologischen Museum von Almería sehen.
Zur gleichen Zeit entstanden bei Antequera drei Dolmen, deren ältester, der Dolmen von Menga, das größte derartige Monument in Westeuropa ist. Riesige Monolithen stützen ebenso gigantische Decksteine, deren größter auf 180 Tonnen geschätzt wird. 1645 entdeckt, hielt man diese Dolmen im vorigen Jahrhundert für einen Versammlungsort der Druiden; letztendlich sind uns diese Dokumente der Monolithkultur bis heute ein Rätsel. Aber sie breitete sich von hier aus über Spanien nach Europa hinein aus.
Die Iberer
Während des ersten Jahrtausends vor unserer Zeit entstand die Kultur der Iberer. Über die Iberer ist wenig bekannt, obgleich sie einen Entwicklungsstand erreichten, den im westlichen Mittelmeerraum nur die Etrusker übertrafen: es gab zahlreiche Stämme, von denen sogar unklar ist, ob sie eine gemeinsame Sprache hatten (wenn dies so war, gelten die Sprachen der Basken und der Berber als beste Kandidaten für eine verwandte Sprache). Iberer ist also eher ein Sammelbegriff für Völker, die die iberische Halbinsel bewohnten, als Karthago und Griechen begannen, in das Gebiet einzudringen. Zur iberischen Zivilisation gehörte das sagenhafte Königreich von Tartessos, von dem die Bibel sowie griechische und römische Texte berichten. Der Legende nach muss Tartessos unermesslich reich an Kupfer, Gold und Silber gewesen sein; es wurde bis heute nicht gefunden. (Der deutsche Althistoriker Adolf Schulten, der 30 Jahre lang erfolglos nach Tartessos suchte, hielt es gar für das sagenumwobene Atlantis. Andere gruben ebenso erfolglos in Cádiz, Jerez de la Frontera, Sanlucar de Barrameda und Sevilla.)
Die ersten historisch belegten Fremden, die die andalusische Küste erreichten, waren die Phönizier. Diese von der Ostküste des Mittelmeeres, dem heutigen Libanon, stammenden Seefahrer und Händler waren die ersten, die das Mittelmeer auf offener See durchfuhren sowie die Straße von Gibraltar querten. Ihre wichtigste Siedlung war Gadir (das heutige >> Cádiz); aber auch Malaca (Málaga), Sexi (Almuñécar), Calpe (Gibraltar) und Onaba (Huelva) sind frühe phönizische Siedlungen. Gadir, das vermutlich rund 300 Jahre später als im überlieferten Jahr 1104 v.u.Z. gegründet wurde, war der wichtigste Stützpunkt. Der Handel mit den Phöniziern - bzw. nach der Unterwerfung des phönizischen Mutterlandes durch die Perser mit dem immer unabhängiger werdenden Karthago - brachte auch den Tartessern ab dem 8. Jahrhundert v.u.Z. eine Blüte, nachdem diese von den Phöniziern lernten, wie man Metalle raffiniert und verarbeitet; große Mengen - vor allem an Silber - wurden nach Griechenland und Asien verbracht. Bald kamen auch griechische Händler, die sich zunächst weiter nördlich, an der heutigen Costa Brava, ansiedelten, aber sich bald in die phönizische Zone hinein ausbreiteten und ebenfalls - vermutlich vermittelt von karthagischen Händlern - mit Metallen handelten.
Ab dem 4. Jahrhundert v.u.Z. nahm der - vor allem kulturelle - Einfluss der Griechen zu; die Iberer entwickelten eine Schrift, die von der griechischen abgeleitet war; Wein und Oliven wurden immer beliebter. Die Iberer kämpften zudem - als damals hoch angesehene Söldner - sowohl in griechischen als auch in karthargischen Armeen. Im Gefolge des Peloponnesischen Krieges verloren die Griechen aber an Einfluss; und im 3. Jh. v.u.Z. kam es zu drei "Punischen" (die römische Bezeichnung für Phönizier) Kriegen zwischen dem aufstrebenden Rom und Karthago, die mit der Zerstörung Karthagos endeten. Die spanischen Besitzungen Karthagos fielen an Rom (mehr >> hier).
Die Römer
Im Süden Spaniens, wo die Menschen der Herrschaft Karthagos müde waren, stieß die römische Machtübernahme kaum auf Widerstand. Im Gegenteil, die Region profitierte von dem einheitlichen Handelsraum, den die Römer im westlichen und mittleren Mittelmeerraum geschaffen hatten und der sich bald über das gesamte Mittelmeer erstrecken sollte. Die Römer festigten auch in Spanien ihren Einfluss über ihr Verwaltungssystem und das Straßennetz. Zunächst teilten sie Spanien in 2 Provinzen, Hispania citerior und Hispania ulterior. Die letztere wurde etwas später noch einmal aufgeteilt, wobei die dabei entstehende Provinz Hispania baetica schon etwa dem heutigen Andalusien entsprach. Der Ausbau des Straßennetzes erleichterte den Handel, der Monte Testaccio in Rom besteht nicht zum geringsten Teil aus zerbrochenen Amphoren aus der Provinz Betica. Die Iberer Andalusiens hatten ihre eigene städtische Tradition, auf der die Römer aufbauen konnten. Neben eigenen Gründungen wie Itálica (206 vor unserer Zeit) bauten sie andere wie Corduba (Cordóba, die Stadt wurde Hauptstadt von Hispania baetica) und Hispalis (Sevilla) aus und brachten den Iberern eine gemeinsame Sprache, das Latein. So waren die folgenden vier Jahrhunderte ein goldenes Zeitalter. Aus Hispania baetica kamen nicht nur Metalle, Getreide und Olivenöl, gesalzener Thunfisch und die Fischsauce garum (diese salzige Sauce vermutlich phönizischen Ursprungs stand im gesamten römischen Reich in hohem Ansehen, da sie alle guten Eigenschaften gesalzenen Fisches in einer kleinen Flasche transportieren sollte; produziert wurde sie, indem eingesalzener Fisch zur Gärung gebracht wurde), sondern auch die Kaiser Trajan und sein Nachfolger Hadrian sowie der Philosoph Seneca.
In der späten römischen Republik wurde die Region jedoch auch in die Bürgerkriege um die Macht in Rom hineingezogen. Als sich der Konflikt zwischen Pompeius und Julius Caesar zuspitzte, erhielt Pompeius Hispanien, das ein Gegengewicht zu Caesars Gallien bilden sollte. Caesar fühlte sich aber zwischen Hispanien und Rom in die Zange genommen, und überschritt 49 v.u.Z. den Rubikon, die Grenze nach Italien: es begann ein Bürgerkrieg, und die entscheidende Schlacht wurde 45 v.u.Z. bei Munda südlich von Córdoba geschlagen: Caesar konnte hier die letzten Pompeius-Anhänger schlagen, nach Rom zurückkehren und als Diktator regieren.
Zu den zahlreichen Erinnerungen an die andalusische Römerzeit gehört die Römerbrücke in Cordóba und das Theater in Ronda la Vieja, wo weitere Ausgrabungen kürzlich erst begonnen haben. Auch Itálica ist heute eine Ausgrabungsstätte, im restaurierten Amphitheater finden im Sommer Ballett- und Opernaufführungen statt. Mosaiken aus Itálica kann man im archäologischen Museum von Sevilla sehen. Ein Museum mit Funden aus der Römerzeit findet sich auch an der Nekropolis von Carmona, einer der besterhaltenen Bauten aus der Römerzeit in Andalusien. In Baelo Claudia an der Costa de la Luz kann unter anderem ein Theater, eine Basilika und eine gut erhaltene Fabrik zur Herstellung von garum besichtigt werden.
Die Westgoten
Nachdem das römische Reich unter Diokletian im Jahr 284 in einen westlichen und einen östlichen Teil aufgespalten wurde, gehörte Andalusien zum weströmischen Teil, der in der Folge der durch den Hunnensturm ausgelösten germanischen Völkerwanderungen immer wieder von "Barbaren" angegriffen wurde: In Spanien zogen Vandalen, Sueben, Alanen und Westgoten durch das Land. Die Vandalen ließen sich in der Provinz Baetica nieder; wurden aber 416 von den Westgoten, die mit den Römern verbündet waren, bekämpft. Die Vandalen zogen 429 über die Straße von Gibraltar weiter nach Afrika (wo sie zehn Jahre später Karthago erobern sollten). Die Westgoten erhielten von den Römern ein Siedlungsgebiet in Gallien und begründeten das Tolosanische Reich (nach der Hauptstadt Tolosa, heute Toulouse). Die römisch-westgotische Allianz wurde aber von den Westgoten immer wieder gebrochen; und nach dem endgültigen Bruch besetzten die Westgoten etappenweise die Iberische Halbinsel und beendeten im Jahr 474 das römische Prinzipat in Andalusien. Zunächst beendete dies nicht den Einfluss der Römer, die wichtige zivile und geistliche Posten behielten.
Als die Franken 507 Tolosa eroberten, verschob sich der Schwerpunkt des Westgotenreichs auf die neue Hauptstadt Toledo und die Iberische Halbinsel. Unter (dem oströmischen) Kaiser Justitian, der die römische Vorherrschaft über den gesamten Mittelmeerraum wiederherstellen wollte und der 534 bereits das Vandalenreich in Nordafrika besiegt hatte, begannen neue Auseinandersetzungen: 552 besetzten byzantinische Truppen große Teile Andalusiens und konnten sich bis 621 halten. Probleme hatten die Westgoten aber nicht nur mit den Römern, sondern auch im Inneren. Der Übertritt König Rekkareds zum katholischen Glauben beendete zwar die Feindschaft mit Byzanz, aber im Land blieb eine starke arianische Grundströmung bestehen; die Verfolgung der Juden, die seit der Römerzeit (der Legende nach gar seit phönizischen Zeiten) im Gebiet lebten, begann.
Wirtschaftlich litt das Land unter wachsender Ungleichheit zwischen reicher Oberschicht und besitzlosen Massen - der westgotische Staat gilt als das brutalste Sklavenhalterregime der Antike - und politisch unter einem Dauerstreit über Wahl- oder Erbmonarchie. Daher war das Reich der Westgoten so geschwächt, dass der Boden für einen Erfolg der islamischen Eroberung schon bereitet war. Der historische Mythos will, dass die Araber nach Andalusien kamen, weil der westgotische König Rodrigo die Tochter des Gouverneurs von Ceuta vergewaltigt hat und dieser darauf die Araber, die seit 670 bereits vom Heerlager Kairouan in Tunesien aus die nordafrikanische Mittelmeerküste bis zur Meerenge von Gibraltar erobert hatten, um Hilfe bei seiner Rache bat. Manche Historiker glauben eher an den Hilferuf von Anhängern der im Streit um die Thronnachfolge unterlegenen Partei, aber wie auch immer: alleine der legendäre Reichtum Andalusiens wäre für die Araber wohl Anreiz genug gewesen, nach Europa zu kommen.
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>> Teil 2:
Die
Mauren
>> Teil 3:
Das
goldene Zeitalter
>> Teil 4:
Von
den Bourbonen bis zur Demokratie
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© Jürgen Paeger 1993 - 2014