Das Tal des Río Genal liegt südlich von
Ronda und
mitten in der Serranía de Ronda (dem Bergland von Ronda). Es liegt
zwischen den Naturparks und Wandergebieten
Sierra de Grazalema und
Los
Alcornales im Westen, der
Sierra de las Nieves im Osten und der
Costa del
Sol im Süden. Ähnlich wie in den westlich gelegenen Gebieten sorgt auch
hier der Levante-Wind für Niederschläge, so dass das Gebiet überraschend
grün ist. Vor allem Korkeichenwälder, aber auch Kastanienhaine prägen die
Vegetation. Das Tal wird der Länge nach vom Río Genal
durchzogen, der den Wanderungen in dieser Region einen besonderen Reiz
verschafft. Zahlreiche kleine, weiße Dörfer bieten sich als Ausgangspunkt
für Wanderungen an.
Übersichtskarte des Wandergebietes Tal des Río Genal. Das Einzugsgebiet des
Flusses ist grün gestrichelt eingezeichnet und gehört seinerseits zum
Einzugsgebiet des Río Guadiaro. Karte:
Jürgen Paeger.
Landschaft
Im Wandergebiet “Tal des Río Genal”, das auch die umgebenden Gebirge,
deren Bäche in den Río Genal entwässern, einschließt (siehe Karte oben),
finden sich sowohl Silikat- als auch Kalkgestein; darüber hinaus eines der
ausgedehntesten europäischen Vorkommen des ultrabasischen Peridotitgesteins.
Geologisch gehört das Gebiet zur Betischen Kordillere (>>
mehr). Das Silikatgestein, das flächenmäßig den größten Anteil ausmacht,
gehört zu dessen Innenzone; im Gebiet kommen vor allem Ton- und
Glimmerschiefer sowie Gneise vor. Wegen ihren dunklen Färbung werden die
Silikatgebirge im Gebiet sierras pardas (“braune Gebirge”) genannt. Hellgrau
bis fast weiß sind dagegen die Kalkgesteine, die zum Subbetikum gehören; das
prominenteste Beispiel ist die Sierra del Oreganal, die das Gebiet im
Norden vom Hochland von Ronda abtrennt - zu ihr gehören der Jarastepar
(1.431 m) und die Cancha Armola (1.406 m); ein Kalkgebirge ist auch die zur
Sierra de las Nieves überleitende Sierra Blanca im Nordosten mit dem
Cascajares (1.416 m), einem hervorragenden Aussichtspunkt über das Tal des
Genal sowie über die Sierra de las Nieves. Auch die Sierra Crestellina ganz
im Süden, an der Grenze zur Costa del Sol, ist ein Kalkgebirge. In den
Kalkgebirgen führen Karsterscheinungen zu mitunter fantastischen
Landschaften, etwa in den westlich von Cartajima und Júzcar liegenden
riscos
de Cartajima, siehe auch >>
hier).
Von besonderem Interesse ist das Peridotitgestein, hier meist (unter dem
Druck der Erdkruste) umgewandelt als Serpentinit vorkommend: Dieses sehr
basische Gestein ist durch oxidiertes Eisen oft rötlich gefärbt, die Gebirge
werden daher auch sierra bermeja (“rote Gebirge”) genannt. Auf diesem
Gestein kommen zahlreiche endemische Pflanzenarten vor; da die Böden für die
Landwirtschaft ungeeignet sind, gehören sie zu den besterhaltenen Gebieten
im Tal des Río Genal. Ein Beispiel sind die Reales de Sierra Bermeja an der
Grenze zum Wandergebiet Costa del Sol (1.451 m; siehe auch >>
hier).
Klima
Das Klima des Tal des Río Genal ähnelt mit seinen für andalusische
Verhältnisse reichlichen Niederschlägen den umgebenden Naturparks Los
Alcornocales und Sierra de Grazalema: In das nach Südwesten hin geöffnete
Tal können feuchte Atlantikwinde eindringen, so dass es im Sommer nicht zu
heiß und im Winter nicht zu kalt ist (atlantisches Klima). In Cartajima
fallen im Jahr 1.275 mm Niederschlag - das ist anderthalb mal soviel wie im
Durchschnitt in Deutschland. Die Regen sind aber oft sehr heftig, so dass
die Zahl der Regentage niedriger ist, und von Juni bis September ist Regen
sehr selten. Ganz im Süden kommen Nebeltage dazu, die etwa in der Sierra
Bermeja die Feuchtigkeit noch erhöhen (der Nebel wird vor Ort als “Bart des
Levante(-Windes)” - barbas de Levante - bezeichnet). Schnee kommt
vor allem in den hohen Lagen der Gebirge vor, im Flusstal ist er eine
Seltenheit.
Flüsse
Der Fluss, der diesem Wandergebiet seinen Namen gibt, der Río
Genal, ist einer der letzten “wilden” Flüsse in Andalusien: Keine
Staustufe, kein Wehr bremst seinen Lauf. Aus geografischer Sicht liegt seine
Quelle an der Landstraße von Ronda nach San Pedro de Alcántara, wo der
Río Seco, gespeist vom Wasser des Cascajares und der
südwestlich davon liegenden Sierra de las Trincheruelas, entspringt.
Offiziell gilt als seine Quelle jedoch die Quelle des Río Igualeja nahe des
gleichnamigen Ortes (die nicht die Quelle im geografischen Sinne ist, da die
Quelle des Río Seco weiter entfernt ist), die auf jeden Fall die schönere
der beiden ist. Der Río Igualeja mündet südlich des Ortes an der “Junta de
los Ríos” in den Río Seco, und dieser bildet an der Vega de las Cañas mit
dem Río Nacimiento den Genal. Weitere Zuflüsse sind unter
anderem der Arroyo Blanco nördlich von Pujerra, der
Río Júzcar, der beim Ort dieses Namens aus den Bächen Majales und
Lirios ensteht, die Wasser aus der Sierra del Oreganal in den Genal bringen.
Im Mittellauf des Río Genal ist der Río Monardilla der
wichtigste Zufluss, er wird aus der Sierra Bermeja gespeist. Der Unterlauf
beginnt mit der Mündung des Río Almarchal zwischen
Benarrabá und Genalguacil; im Unterlauf ist der Río Genal deutlich breiter
und ruhiger. Nach insgesamt etwa 60 Kilometern mündet er in den Río
Guadiaro, und dieser mündet bei Sotogrande in das Mittelmeer.
Tier- und Pflanzenwelt
Die Vegetation im Tal des Río Genal hängt vor allem vom Ausgangsgestein
ab. Auf Silikatgestein wachsen im Norden des Gebietes von Natur aus
Steineichenwälder, genauer Drüsenginster-Steineichenwälder,
in deren Unterwuchs Arten wie die Salbeiblättrige Zistrose (Cistus
salvifolius) und der Gamander Teucrium fruticans vorkommen.
Diese Wälder sind heute oft durch Kastanienhaine ersetzt. Im mittleren und
unteren Flusstal wachsen auf Silikatgestein dagegen Korkeichenwälder,
in besonders feuchten und schattigen Regionen auch die
Portugiesische Eiche (Quercus faginea). Im Unterwuchs
dieser Wälder wachsen der Ginster Genista linifolia, der
Mittelmeer-Schneeball (Viburnum tinus) und der Kreuzdorn
Rhamnus oleoides. Im Süden des Gebietes, in der Sierra Espartinas bei
Gaucín, steht ein natürlicher Wald der Aleppo-Kiefer; und
im Monte del Duque gibt es einen Kanareneichenwald.
Die Kastanienhaine des Río Genal
Die Edelkastanie (Castanea sativa) stammt
ursprünglich aus dem kaukasisch-armenischem Gebiet, ihre Verbreitung begann
bereits vor knapp 3.000 Jahren. In das Tal des Río Genal ist sie wohl
spätestens mit den Römern gelangt, dürfte ihre heutige Ausdehnung aber erst
im 16. bis 18. Jahrhundert erreicht haben. Heute bedecken Kastanienhaine
etwa 4.000 Hektar Fläche, sie stehen auf Silikatgestein in 400 bis 1.000
Meter Höhe und brauchen Niederschläge von über 1.000 mm/Jahr. Die Ernte der
Kastanien beginnt meist im Oktober und zieht sich über drei Wochen hin;
dabei werden zwei Sorten unterschieden: Die castaña bravía, die als
Viehfutter verwendet wird, und die größere castaña pilonga, die in
der Gastronomie verwendet wird. Die Vermarktung findet über Kooperativen
statt. Besonders schön sind die Kastanienhaine zur Zeit der Herbstfärbung
(meist im November); von November bis Januar finden in den Dörfern auch die
Fiesta de los Tostones statt, bei der die Kastanien geröstet und verkostet
werden (begleitet vom Most und Aguardiente aus dem Ort).
Auf Kalkgestein, dessen Vegetation für die Beweidung wesentlich besser
geeignet ist, wurden die ursprünglichen Wälder fast durchgehend vernichtet
und ihre Erneuerung durch Beweidung verhindert, hier findet sich heute vor
allem Strauchland mit Arten wie Dornigem Steinkraut (Ptilotrichum
spinosum), Dornigem Hasenohr (Bupleurum spinosum) und
Echinospartium boissieri, in denen auch Rosmarin, Lavendel und Thymian
vorkommen. Auf Peridotitgestein wachsen Wälder der Seestrand-Kiefer
(Pinus pinaster subsp. acutisquama) und bei ausreichend
Feuchtigkeit der Spanischen Igeltanne (Abies pinsapo).
In den oberen Lagen werden diese von einem Gebüsch abgelöst, in dem der
Igelpolster Erinacea anthyllis vorherrscht; in diesem kommen
zahlreiche endemische (nur hier vorkommende) Arten vor.
In den oberen Lagen der Kalkgebirge und der Sierra Bermeja leben
Steinböcke, in den Wäldern leben Rehe und Wildschweine, Wildkatze
sowie Steinmarder, Mauswiesel, die scheue Ginsterkatze und der Ichneumon,
die einzige in Europa vorkommende Mungo-Art. Der einst hier vorkommende Wolf
wurde im 19. Jahrhundert ausgerottet. Im Gebiet wurden 139
Vogelarten gezählt, darunter finden sich am Fluss und
seinen Zuflüssen Arten wie der Kaffernsegler, die Wasseramsel und der
Eisvogel sowie die Gebirgsstelze, in den Wäldern nisten Zwerg- und
Schlangenadler und kann man Weißbart- und Orpheusgrasmücke sowie
Berglaubsänger und iberischen Zilpzalp hören; und in den oberen Lagen der
Berge kann man insbesondere zur Zeit des Vogelzuges zahlreiche Greifvögel
sehen, darunter Schwarzmilan und Fischadler. Ansässig ist hier zum Beispiel
der Habichtsadler, und in der Sierra Crestellina brütet der Gänsegeier.
Mensch und Kultur
Das Tal des Río Genal war spätestens seit der Bronzezeit besiedelt, wie
einige Dolmen zeigen (ein leicht zu erreichender liegt in der Nähe des
Passes Encinas Borrachas an der A-369 wenige Kilometer von Atajate
entfernt). Schon zur Zeit der Phönizier begann vermutlich der Abbau von Gold
und Eisen in der Sierra Bermeja, und an die Römerzeit erinnert die Siedlung
Lacipo im heutigen Gemeindegebiet von Casares; die heutige A-369 entspricht
in großem Teilen dem Verlauf einer Römerstraße von Careia (Gibraltar) nach
Arunda (Ronda). Die meisten heutigen Orte wurden aber erst von den Mauren
gegründet. Zur Zeit der Mauren erscheint auch die erste historische
Persönlichkeit aus dem Tal des Genal: Omar Ben Hafsún, der im 9. Jahrhundert
einen 50 Jahre andauernden Aufstand gegen das Omaijaden-Kalifat in Córdoba
anzettelte. Als das Kalifat Anfang des 11. Jahrhunderts zerfiel, gehörte das
Tal des Genal zur Taifa von Ronda, die wiederum 1059 von Sevilla erobert
wurde. Das Tal blieb bis 1485, als Ronda an die katholischen Könige fiel,
maurisch. In den Jahren 1501 und 1568 kam es noch einmal zu großen
Aufständen der im Gebiet verbliebenen Mauren, die nach der Niederschlagung
dieser Rebellionen endgültig vertrieben wurden - nicht alle folgten aber
dieser Aufforderung, manchem Historiker gilt diese Vertreibung als die
eigentliche Geburtsstunde das andalusischen bandolerismo
(Banditentum, >>
mehr). Das Gebiet wurde mit Siedlern aus Galizien, Extremadura,
Kastilien und anderen Regionen wieder “aufgefüllt”. 1726 begann am Río Genal
bei Júzcar der Bau einer der ersten spanischen Fabriken überhaupt, einer
Blechfabrik (>>
mehr).
Historische Bedeutung sollte das Gebiet erst wieder während der Besetzung
durch Napoleón erlangen, als die Bewohner die Franzosen zweimal hinderten,
nach Gibraltar zu gelangen und kurzzeitig sogar aus Ronda vertreiben
konnten. In den Jahren danach wurde das Tal des Genal mit seinen Wegen von
Ronda an die Küste zu einem der klassischen Gebiete des bandolerismo;
einige der berühmtesten Banditen kamen aus dem Tal des Río Genal, etwa der
in Igualeja geborene Francisco Flores Arrocha. Nach der Eroberung Gibraltars
durch die Engländer spielte auch der Schmuggel von Kaffee, Zucker und Tabak
auf den Maultierpfaden des Tales eine bedeutende Rolle. Andere Bewohner des
Tales nahmen einen ganz anderen Weg: 1864 wurde in Alpandeire der später als
fray (Bruder) Leopoldo bekannt gewordene Kapuzinermönch geboren, der in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhundert unter den Katholiken Granada großes
Ansehen genoß und nach seinem Tod - bis heute - fast wie ein Heiliger
verehrt wird. Was die kämpferische Tradition der bandoleros angeht,
war in gewisser Weise der maquis ihr Nachfolger: Mit diesem Wort
wurden die Kämpfer gegen die Diktatur des General Franco bezeichnet, die
sich in den Bergen und auch im Tal des Río Genal verbargen. Die Bewohner in
den Dörfern lebten weiter von den Produkten der Felder und Kastanienhaine:
von Holzkohle, Holz, Kork, Kastanien, Kalk, etc.; in den 1960er Jahren zogen
dann viele Bewohner aus dem Tal an die Costa del Sol, wo Bauboom und
Tourismus Arbeit und ein besseres Leben versprachen; erst in jüngster Zeit
scheint diese Entwicklung gestoppt und besteht mit dem ländlichen Tourismus
eine neue Perspektive für die Bewohner im Tal des Genal.
Weiter zu:
>>
Wanderungen im Tal des Río Genal
>>
Praktische Hinweise Tal des Río Genal (Ausgangsort, Anreise, Unterkunft,
Essen und Trinken)
>>
Ronda